Erntehelferin

9. Bewerbung zur Erntehelferin


Nachdem ich den wild-schnaubenden Wachhund überwunden hatte und an der Haustür des Bauernhofes angekommen war, atmete ich noch mal tief durch, bevor ich klingelte.

Mein schönstes Kleid, was ich im Normalfall natürlich für ein Bewerbungsgespräch angezogen hätte, hatte ich in diesem Fall gegen Jeans und Turnschuh eingetauscht!

Ich befürchtete einfach, dass ich im Kleid zwar möglicherweise sehr nachdrücklich im Gedächtnis bleiben würde, es sich aber eventuell nicht unbedingt positiv auf den Ausgang der Bewerbung auswirken könnte...

Der Bauer öffnete hastig die Tür und schaute mich irritiert und fragend an...
Nachdem ich ihm meine Bewerbung zur neuen Erntehelferin engagiert und freudig vorgetragen hatte, hellte sein Blick etwas auf.

Welchen Job hatten Sie denn bisher im wahren Leben?“, fragte er, während er mich schmunzelnd von oben bis unten inspizierte.

Sängerin und Darstellerin“ antwortete ich wahrheitsgemäß.

Der Bauer lachte herzlich.Singen Sie dann auch bei der Feldarbeit?“, fragte er belustigt.

Ich erwog kurz, passend zur aktuellen Erntesituation, in das Lied „Veronika, der Spargel wächst...“ einzustimmen, verwarf den Gedanken dann aber wieder.

Denn ab diesem Moment war klar, dass das Gespräch zumindest in punkto „Erntehelferin“ nicht positiv ausgehen würde...

Na toll, dachte ich bei mir, dann hätte ich ja auch das schöne Kleid anziehen können!


PS: Liebe Bundesregierung, falls ihr neben der „Sofort-Hilfe“ für Künstler und Kulturschaffende (die sich zumindest in Hessen als eine Förderung für „gewerbliche Vermieter“ entpuppet hat) und der Option „Erntehelfer“ (die zumindest für Sängerinnen nach der heutigen Erfahrung wohl eher „ungeeignet“ zu sein scheint) noch weitere so tolle Ideen auf Lager habt, sagt gern Bescheid! Ich prüfe das dann umgehend...


Illustration: Lucy Hobrecht, Text: Romana Reiff (04.04.2020)

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